Digitale Zweitwelten

29. Oktober 2022

Die Altenstädter galileo-ip Ingenieure GmbH vermisst seit 25 Jahren die Welt: mit Kameraflügen über Wohngebieten, 3D-Lasern in Werkshallen und Tachymetern auf Stativen in der Landschaft. Dabei ist das Ziel stets dasselbe: ein perfektes digitales Abbild des realen Objekts zu schaffen. Doch wer wird aus den so entstehenden Punktwolken überhaupt schlau?

Abtauchen in die digitale Parallelwelt, den Eiffelturm oder die Mona Lisa nicht mehr in Paris,  sondern im heimischen Wohnzimmer mit Hilfe der Virtual Reality-Brille in allen Dimensionen erkunden – das sind die Aussichten, die gerade unter dem Begriff „Metaverse“ als nächstes großes Internetding gehandelt werden.

Mit dem, was die Ingenieure und Vermessungstechniker der Altenstädter galileo ip Ingenieure GmbH machen, hat das allerdings auf den ersten Blick nur wenig zu tun, vornehmlich aber doch denselben Ausgangspunkt, nämlich nichts weniger als: die Vermessung der Welt. „Wir schaffen einen digitalen Zwilling, das ist unser Ziel“, erklärt Firmengründer Claus Krapf vor Ort. Der Diplom-Ingenieur empfängt Besucher gemeinsam mit seinem langjährigen Mitarbeiter und mittlerweile Mit-Geschäftsführer Markus Meister im Altenstädter Gewerbegebiet.

„Alles ist messbar“

Obwohl hier überall Weltraumplakate mit dem Slogan „Alles ist messbar“ hängen, lernt man schnell: Um Science Fiction geht es hier überhaupt nicht, sondern um das genaue Gegenteil: ganz konkrete industrielle und kommunale Anwendungsfälle. Denn mithilfe der Daten, die galileo-ip liefert, simulieren etwa Automobilkunden bei Änderung von Modellreihen Roboterumbauten. Während früher in der realen Welt Test-Settings notwendig waren, geht dies heute alles bequem am Computer – übrigens im Fall von Audi etwa von Ingolstadt aus, ohne in das Werk in Mexiko zu reisen. Dort waren stattdessen im Vorfeld sechs Mitarbeitende von galileo-ip und haben vor Ort per Laser-Scan einen Großteil der Produktionsstätte vermessen.

Für Phantasie oder Pi-mal-Daumen-Methoden ist in der modernen Wirtschaft kaum noch ein Platz -keine ganz neue Erkenntnis. Wie es aber sukzessive dazu kam und die Arbeitswelt sich wandelte, erfährt man hier nicht nur ganz beiläufig, sondern kann es sogar sehen. Denn der Besprechungsraum ist gleichzeitig ein kleines – reales – Museum, mit Apparaturen aus verschiedenen Jahrzehnten, edlen Messinggeräten oder einem Guss-Tachymeter auf einem hölzernen Stativ.

Die Ausstellungsgegenstände machen auf einen Blick klar, was den Kern der Firma bildet: Mit dem jeweils am besten geeigneten Gerät Gebäude oder Bauwerke, innen oder außen millimetergenau zu vermessen, um anschließend ein exaktes virtuelles Abbild zu erhalten. Das ist allerdings – und hier kommt einer der größten Unterschiede zu dem, was virtuelle Realität normalerweise ist – in der Regel kein 3-D-Modell, sondern eine Punktwolke, bestehend aus Milliarden von Messpunkten.

Von der Punktwolke zum 3D-Modell

Und da ist sie wieder, die Analogie zum Weltraum, zum Sternennebel, der optisch so diffus wirkt, und doch im Detail eine durchstrukturierte Galaxie ist. Diese sichtbar zu machen, quasi aus der Wolke zum Modell zu gelangen, ist Inhalt von mehreren Forschungsprojekten von galileo-ip, unter anderem gemeinsam mit Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik in Freiburg und der OTHAW. Dabei geht es immer um KI und dann zum Beispiel um die Frage, wie Simulationen klären können, wann und wie die 20.000 deutschen Brücken saniert werden müssen oder wo Städte größere Flächen für Solarbestückung und serielle Sanierungsvorhaben haben.

Ein Caddy voll Geräte

Damit könnte sich galileo-ip künftig vom reinen Vermessungsdienstleister, der schon jetzt mit seinem Komplettpaket an Methoden und seinem Kundenportfolio ziemlich einzigartig in Nordbayern sein dürfte, mittelfristig zum Consultingunternehmen erweitern. So zweifelt Claus Krapf zwar nicht daran, dass der digitale Wandel weiterhin für gute Geschäfte sorgen wird – aber das allein genügt ihm nicht.

„Heute packen wir zwar unsere Gerätschaften in die Caddies, um durch die Republik und manchmal auch Welt zu reisen, und liefern dort mit innovativer Vermessungstechnologie hochwertige Dienstleistungen ab – aber vielleicht können das morgen auch andere“, sagt er. Was die Konkurrenz dann aber sicherlich noch nicht kann, ist das, was er und Markus Meister in die Forschungszentren der Republik getragen haben – und dort gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern austüfteln, um noch mehr „echte“ virtuelle Welten zu erschaffen.


Text: Alexandra Buba

„Wir stehen im Zentrum der Digitalisierung“

Galileo IP 

Die galileo-ip Ingenieure GmbH mit Sitz in Altenstadt beschäftigt 25 Mitarbeitende, in der Mehrzahl Vermessungstechniker und Ingenieure. Vermessungs-Ingenieur Claus Krapf gründete die Firma 1997 als Zwei-Mann-Büro in Plößberg, 2005 erwarb er einen Betrieb in Südbayern, der Photogrammetrie anbot und integrierte diese in sein Dienstleistungsspektrum und zog nach Altenstadt um.

Einen Meilenstein in der Entwicklung des Unternehmens markiert das Jahr 2006, in dem Claus Krapf seiner Überzeugung folgend in die damals noch junge 3D-Laser-San-Technologie investierte. Heute bietet das Unternehmen daneben die Verfahren Präzisionstachymeter, GPS-Vermessung, Digitalnivellier, hochauflösenden Bildflug, UAV / Drohnenbefliegung sowie terrestrische Photogrammetrie an.

 

Neben der reinen Dienstleistungstätigkeit etwa für die Automobilindustrie und die öffentliche Hand entwickelt galileo-ip in mehreren Forschungsprojekten neuen Verfahren zur Visualisierung und Anreicherung der Vermessungsdaten mithilfe von KI. 

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